Wer am Freitag zum Auftakt unseres Adventsfestes den Kneipsaal betrat, der fand ein ganz heimeliges Arrangement aus Krambambuli, duftendem Weihnachtsgebäck und den flackernden Schwarzweißbildern und schlecht abgemischten Tonfetzen eines mit dem Projektor an die Wand gestrahlten studentischen Nachkriegskultes vor. Damit meine ich natürlich den im Jahre 1944 entstandenen, wohl als Klamauk zu bezeichnenden Beschwichtigungsstreifen „Die Feuerzangenbowle“. Heute wie damals ein Grenzgänger zwischen Wortwitz und Blödelei, ein Sinnbild der Leichtigkeit pubertären Seins, welches in der Ära vermeintlicher Problemjugendlicher und sonstiger Opfer des Kulturpessimismus nichts von seiner erfrischenden Sehnsucht und Entrücktheit verloren hat.
Und während ich diese Szene so philosophisch entworfen habe, wird der Leser aufmerken und einwenden, was hier denn bitteschön „Krambambuli“ gewesen sei. Das, was er da vor sich sehe, sei jawohl eine Feuerzangenbowle.
Doch der Student, bereits bei den Vorbereitungen des Abends der Versuchung erlegen – und wer mag ihm widersprechen, dass die Vorsicht bereits einen Probelauf zur Mittagsstunde erforderte – dieser Student trällert ihm entgegen:
Des Abends spät des Morgens früh trink ich mein Glas Krambambuli Krambimbambuli Krambambuli!
„Krambambuli“, Volkslied nach einer Dichtung von Christoph Friedrich Wedekind (1745)
Und ganz unzweifelhaft wären beide im Recht wie auch im Unrecht, was ob der alkoholgeschwängerten Luft sich bald wohl in der gleichgültigen Behaglichkeit des Abends aufgelöst hätte. Doch wer diese Zeilen liest, war wahrscheinlich nicht dabei (Schande!) und muss daher ganz ohne weihnachtlich-studentische Leichtigkeit seiner Aktivenzeit nachtrauern.
Und wie diese Zeit gerät auch immer mehr in Vergessenheit, dass einst Krambambuli weder ein für Schnaps gekaufter Hund noch die studentische Fehlbezeichnung des als Feuerzangenbowle so berühmten Punsches war. Vielmehr handelte es sich um einen rötlichen Wacholder, worauf sich auch der Name zurückführen lässt. Denn die Zusammenführung des alten Wortes Krandewitt für Wacholder und des rotwelschen Blampe für ein alkoholisches Getränk lässt schon beim Artikulierungsversuch nach dem ersten Glas keinen Zweifel an Zusammensetzung und Entstehungsgeschichte des Krambambuli. Gebrannt wurde dieser veritable Tropfen im Lachs zu Danzig und wanderte mit dem Danziger Goldwasser nach dem Krieg zwar ebenfalls in die Bundesrepublik ab, ist aber heute sehr zum Leidwesen des Verfassers nicht mehr in originaler Herstellung erhältlich.
Die rote Farbe und eine ähnliche Wirkung war es dann wohl, was die gut gemachte Feuerzangenbowle in studentischen Kreisen bald zum Krambambuliersatz werden ließ. Aber auch Feuerzangenbowle ist eigentlich ein irreführender Begriff, sind Bowlen doch typischerweise kalt und auch die Feuerzange würde wohl vom Braumeister erzürnt zurückgewiesen, würde man sie heute vom Kaminständer nehmen und ihm über den Glasballon halten.
Vielmehr handelt es sich bei der Feuerzangenbowle eigentlich um einen Punsch, dem der Zucker durch die Flambierung eines rumgetränkten Hutes beigemischt wird. Dem archaischen Spektakel würde aber mit der Bezeichnung Hütchenpunsch wohl nicht Genüge getan und so trinken wir weiter Feuerzangenbowle, nennen es Krambambuli und murmeln dazu apathisch den Text des altbekannten Filmklassikers. Und während auch am Freitag so die gesamte Corona dem Prozess der alkoholischen Gärung unterlag, mag euch Daheimgebliebenen – armselige Entschuldigungsversuche geschenkt! – mag euch Daheimgebliebenen folgender Ausschnitt aus dem Klassiker als Beweis genügen, dass selbst die ödesten Stunden kein Grund zur Traurigkeit sind.